Mittwoch, 13. Januar 2021

Psychisch krank - trotzdem eine gute Hausfrau?



>>Gestern kam mein Mann zu June Cleaver nach Hause - heute zu Bridget Jones.<<

Wer diese beiden ikonischen Gestalten des Fernsehens kennt, der weiß, was ich versuche zu sagen. Gestern, gestern war mein Tag. Alles lief wie geschmiert, die Hausaufgaben im Homeschooling, der Haushalt, das Baby, die Kleine. Geputzt, gewaschen, gebügelt, gebacken, gespielt, gearbeitet - ich hatte das Gefühl alles schaffen zu können und als mein Mann abends nach Hause kam, stand ein gedeckter Tisch mit gutem Essen bereit. Ja, ich hatte das Gefühl alles schaffen zu können und unendlich Energie zu besitzen.
Und heute?
Heute ist irgendwie so gar nicht mein Tag. Nichts funktioniert, angefangen beim Regenwetter und aufgehört bei den quengeligen Kindern und einem Baby, das an mir klebt. Der Haushalt bleibt liegen, kein Abendessen auf dem Herd, die Kinder hängen vor den Bildschirmen und meine Stimmung ist derartig im Keller, das alleine nur aufstehen mir bereits zu viel erscheint.

Klingt das vertraut?
Wenn du psychisch krank bist, dann kommt das vermutlich häufiger mal an deine Lebenserfahrung heran. An manchen Tagen scheint dir die Welt zu gehören, an wieder Anderen ist es zu schwer überhaupt aus dem Bett zu kommen. Als Mutter hat man da natürlich keine große Wahl, so ein paar Dinge muss man eben tun und aufstehen gehört leider dazu. Der "Job" zwingt einen praktisch lautstark dazu; egal wie es einem geht. Aber ich will es nicht beschönigen, gerade mit Depressionen ist es hart. 

Aber wie bekomme ich meinen  Haushalt denn nun trotz Depressionen und sozialer Phobie gebacken? Wie sorge ich dafür, dass nicht so viel liegen bleibt, dass meine Psyche mir weiter einen Strick daraus drehen kann? Wie halte ich trotzdem an meinem "Ideal" der Hausfrau fest (oder versuche möglichst nahe heran zu kommen)?

TIPP 1: LISTEN! LISTEN! LISTEN!

Gerade bei Depressionen spielt uns unsere Psyche gerne einen Streich. Die Arbeit scheint endlos, türmt sich wie der Berg auf den Sisyphos seinen Stein hochrollen muss. Und ungefähr genauso fühlt es sich auch an - endlos, erschöpfend, ewig wiederholend. Bei dieser Aussicht ist es natürlich schwer überhaupt die Motivation zu finden anzufangen - doch wer nicht anfängt, bekommt gar nichts geschafft. 
Daher ist mein erster Tipp - leg dir eine Liste an. Schreib dir alles auf, was du im generellen tun musst und dann brech die Liste hinunter. Nimm dir niemals eine gesamte Liste an einem Tag vor, sondern immer nur eine Kleinigkeit. Entweder ordnest du deine Liste nach Priorität (zb. Arzttermine machen, die du schon ewig vor dich hinschiebst) oder nach Zimmern (zb. Badezimmer, Küche etc.) oder nach Zeit, die die Aufgaben brauchen (zb. Erst die kleinen Dinge, dann die ein wenig mehr Zeit raubendenen etc.)
Das System ist dir überlassen, aber so hältst du deinem Kopf wenigstens eine echte Erwartung gegenüber und verfängst dich nicht in seiner Horrorvision von deinem angeblichen Messihaushalt. 

TIPP 2: Zerbreche deine Aufgaben

Das zählt fast noch mit zu TIPP 1, trotzdem wollte ich es gesondert aufführen. Denn oftmals nehmen wir uns selbst die Motivation mit solchen Gedanken wie "Ich muss noch den Garten machen". (Ja, tue ich leider auch viel zu häufig). Tja...und dann stehen wir da und vor unserer gemeinen Psyche erwächst unser kleiner Garten zu einem mehrere Hekta umspannendem Feld und eine schier unschaffbaren Aufgabe.
Daher brech dir deine Aufgaben herunter, bis sie klein und managbar sind. Statt "Garten machen", stehen also auf deiner Garten - Liste: "Unkraut jähten im vorderen Beet; Unkraut im Seitenbeet jähten; Blumen in den Eimern gießen, fordere Terrasse auskratzen, Möbel abwischen bzw. umstellen etc." 
Diese Aufgaben klingen sehr viel besser managebar und außerdem kannst du damit viele kleine Punkte wegkreuzen, was dir ein Erfolgserlebnis und einen Motivationsschub verpasst.

TIPP 3: Routinen! 

Wenn ihr meinen Blog bisher gelesen habt, dann wisst ihr, dass ich Routinen liebe. Keine Ahnung, aber vermutlich ist das meine innere Jungfrau, die das klare "im Schlaf Konzept" einer guten Routine einfach so zu schätzen weiß. Und mittlerweile sind meine Routinen so verinnerlicht, dass sie auch wirklich derartig funktionieren - auch an schweren Tagen.
Ich habe mir einfach irgendwann mal überlebt, was ist das absolute Minimum, das ich geschafft haben muss um mit meinem Haushalt nicht absolut wahnsinnig zu werden? Trockner an, Waschmaschine an, Geschirrspühler an. Das kostet vielleicht fünfzehn Minuten, wenn ich noch einräumen muss und dann läuft das einfach. Selbst wenn ich sonst nichts geschafft bekomme - es gibt eine gewaschene und eine getrocknete Maschine und sauberes Geschirr am Abend. 
Da sich das Haus zum Glück von "alleine" heizt, habe ich damit praktisch alle wichtigen Grundbedürfnisse gedeckt. Meine Familie hat es warm, ist angezogen und hat Geschirr zum essen. Das kann ich als Erfolg verbuchen und oftmals motivieren mich diese kleinen Handlungen dazu, noch mehr kleine Handlungen zu tun und ehe ich mich versehe, habe ich doch was vom Haushalt geschafft.

TIPP 4: AUSZEITEN!! 

Ich möchte dem ganzen "faul sein" mal einen eigenen Artikel widmen, deswegen hier nur ein kurzer Anschnitt. Gerade als psychisch kranke Person erlauben wir uns praktisch nicht "faul" zu sein. Ich zumindest, werden von meiner "Mommy Schuld" und meiner sozialen Phobie dauerhaft angetrieben produktiv zu sein. Beispiel: Das Baby schläft, die Kinder beschäftigen sich vielleicht gerade mit einer Lieblingsserie - ich sitze im Sessel und lese ein wenig. 
Besser gesagt, ich will lesen. 
Denn kaum habe ich das Buch in der Hand, meldet sich diese dumme Stimme in meinem Hinterkopf. "Sag mal, wie lange läuft der TV heute eigentlich schon?" "Hast du schon die Wäsche umgeschichtet?" "Eigentlich solltest du mal wieder Fenster putzen" "Wenn du nicht bald mal den Flur wischt, gibt es garantiert Beschwerden" etc. etc. etc. 
Ignoriere diese Stimme! Eine halbe Stunde am Tag, an der du mal sitzt und liest, handarbeitest, social Media browsed oder ein wenig deiner Lieblingsserie guckst tut niemandem weh. Du musst nicht 24/7 produktiv sein - du darfst dir auch einfach mal eine Auszeit nehmen um im Anschluss Kraft für Hausarbeit und Kinderspiele zu haben. Denn eine ausgeruhte Frau ist eine geduldige Mutter und umsichtigere Haus- und Ehefrau! 

TIPP 5: TAKE YOUR PILLS!!!

Ich weiß, es ist ein Thema über das Niemand von uns reden möchte, doch die meistens Leute mit psychischen Krankheiten sind mit Pillen besser dran. Versteht mich nicht falsch, medikamentiert euch bitte nicht selbst und natürlich können Tabletten auch keine Therapie ersetzen und sollten niemals eine Dauerlösung sein - aber wenn dir Tabletten verschrieben wurden, dann NIMM SIE AUCH! Mach dir dein Leben wegen Angst vor Abhängigkeit nicht selber schwer - die Ärzte wissen schon, was sie tun und haben ein Auge auf dich.
Wenn du ein Bedarfsmedikament hast, dann nimm es, wenn Bedarf da ist! Dafür ist es da! Du beweist niemandem etwas damit, dass du dich rumschleppst, während eine randvolle Dose Hilfe im Medikamentenkasten vor sich hingammelt. 
Ich war an diesem Punkt, ich weiß wie mies das sein kann. Meine ersten Tabletten schlugen zu stark an, ließen mich wie einen überdrehten Koksjunkie  zurück. Nicht lustig, aber ich habe sie genommen (nach der Reduktion) bis ich in Therapie konnte. Danach ging es ohne - jetzt habe ich ein pflanzliches Bedarfsmittel, das ich nehme, wenn ich merke, dass ich nicht mehr kann. Es erleichtert meinen Tag und hilft mir, besser die Person zu sein, die ich sein möchte. Niemand verurteilt dich dafür - und wer es doch tut, den solltest du eh aus deinem Leben treten!

TIPP 6: Social Media lügt! 

Ach...wir kennen sie doch alle. Diese wunderbaren Bilder von glücklichen Familien auf ihrer Farm, vier süße kleine lächelnden Kinder und eine perfekt gekleidete harmonische Familie. Alles scheint einfach nur glanzvoll und einfach zu sein und man sitzt daneben und fragt sich: "Wieso bei mir nicht?" Wieso sind meine Kinder ungebändigte Bestien mit ungekämmtem Haar, die nicht mal für ein Foto für Oma stillhalten können? Wieso ist mein Küchenboden so verdreckt, dass man davon essen könnte? Wieso habe ich jetzt seit über einer Woche kein Essen von Scratch gekocht? 
Andere schaffen es doch auch.....
Bumm...andere schaffen es doch auch ist der Teufelskreis schlechthin. Aber Andere...Aber die Leute...Aber Aber Aber.....
Merke dir deutlich: SOCIAL MEDIA LÜGT! Und zwar wie gedruckt! 
Nichts was du siehst, ist echt. Es ist ein Ausschnitt aus ihrem Leben, häufig sogar ein professioneller Fotoshoot extra für Instagram, Pinterest, Tumblr etc. Neunzig Prozent davon sind in einem guten Moment aufgenommen, teilweise sogar komplett gestellt und mit vielen Belohnungen herangezogen, damit man sich im Internet gut hinstellen kann. Auch diese angeblich so perfekten Muttis gehen durch ihre Höhen und Tiefen, durch ihre Höllen und haben manchmal einen ganzen Käfig ungezähmter Affen durchs Haus hüpfen - das zeigen sie nur nicht auf ihren Accounts. 
Also lehne dich zurück und versuche der Versuchung zu widerstehen, dich mit einem unerreichbaren Ideal zu vergleichen. Ziele sind gut und wichtig, sie spornen uns zu guten Leistungen an - doch nach dem Olymp zu streben, wenn du nur ein Sterblicher bist, ist ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen.

TIPP 7: Nimm Hilfe an

Meine erste Beichte - in diesem Punkt bin ich furchtbar schlecht. Ich kann einfach keine Hilfe annehmen und ganz schlecht außerhalb meiner Kernfamilie um Hilfe bitten. Daran ist sicher nicht zuletzt meine soziale Phobie Schuld, die mir immer wieder erzählt, dass alle mich verurteilen werden, wenn sie mein Haus betreten um zu helfen. Daher bitte ich Niemanden darum - nicht einmal eine Hilfskraft nahm ich in Anspruch, als ich mitten in Corona mit schwerem KS entbunden wurde...
Darum mein Appell an dich (und auch an mich selbst!) nimm angebotene Hilfe an. Schluck deinen Stolz, deine doofe Angst oder was auch immer dir im Weg steht und gebe einfach mal zu: "Ich kann jetzt gerade nicht, ich brauche jetzt Hilfe." Egal ob es dabei um eine Therapie oder diesen unbezähmbaren Berg Wäsche in deiner Waschküche geht. Du bist ein Mensch, du bist erlaubt Fehler zu machen und mal zu versagen, du bist erlaubt mal nicht weiter zu können - nur spring über deinen Schatten und gib auch zu, wenn es so ist. Bevor du völlig ausgebrannt bist und deine Familie traurig machst, weil du gar nicht mehr funktionieren kannst. 


Sicher ließe sich diese Liste noch beliebig erweitern, und ich freue mich total, wenn du mir deine Tipps mitteilst, die dich über deine Episoden bringen! 
Aber fürs Erste hoffe ich, dass es Einigen von euch geholfen hat zu lesen, dass ihr nicht alleine seit. Wir sind dort draußen, wir sind viele und unser Leben ist nicht immer einfach. Doch bisher haben wir es geschafft dabei zu bleiben und durchzuhalten. Also - greif zur Hilfe, wenn du es benötigst und höre auf die Maßstäbe der Perfektion an dich zu halten. Du bist du, dein Haushalt ist deiner und er ist so individuell wie deine Familie!

Alles liebe,
deine Barefoot & Pregnant

1 Kommentar:

  1. Ihre Tipps sind super. Ich nehme sie gerne in mein Repertoire auf. Bin zwar zum Glück psychisch stabil, aber Ihre Tipps haben sicher auch vorbeugende Wirkung.
    Danke und Liebe Grüße
    Angelika

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